Im Rahmen des UVgO-Verfahrens zur Sanierung und Erweiterung der Mahn- und Gedenkstätte Wöbbelin haben wir mit unserem Entwurf einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung dieses historisch bedeutenden Ortes geleistet.
Unser Ansatz zielte darauf ab, die widersprüchliche Geschichte des Theodor-Körner-Museums und der KZ-Gedenkstätte in einen architektonischen Dialog zu bringen und zugleich den modernen Anforderungen an Funktionalität und Barrierefreiheit gerecht zu werden.
Obwohl unser Vorschlag letztlich den 2. Platz belegte, haben wir mit der geplanten räumlichen Trennung von Körner-Grab und Gedenkstätte sowie der Integration eines grünen Klassenzimmers eine zukunftsweisende Lösung präsentiert, die den Ort behutsam weiterentwickelt hätte.
Aufgabenstellung und Ort
Die Gemeinde Wöbbelin ist Eigentümer der Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin, bestehend aus einem Museumsgebäude und einem Außengelände mit einem Ehrenfriedhof und der Körnergrabstätte. Das Gebäude, ursprünglich 1937 zu Ehren Theodor Körners errichtet, dient seit 1965 auch der Erinnerung an die Opfer des nahegelegenen Konzentrationslagers. Das Museum beherbergt Dauerausstellungen, eine Bibliothek, Seminar- und Büroräume sowie sanitäre Einrichtungen. Der Verein Mahn- und Gedenkstätten im Landkreis Ludwigslust-Parchim e.V. ist seit 2003 für die Unterhaltung und Bewirtschaftung der Liegenschaft verantwortlich.
Aufgrund steigender Besucherzahlen und zunehmender Nachfrage nach Bildungsangeboten soll das Gebäude saniert und erweitert werden. Geplant sind die Erneuerung der Heizungstechnik, die Instandhaltung von Dach und Fenstern, der Ausbau des Dachgeschosses für Personal- und Archivräume sowie die Schaffung von zusätzlichen Toiletten und Lagermöglichkeiten. Zudem ist die Barrierefreiheit der gesamten Anlage zu verbessern.
Der Altbau soll umfassend saniert werden, einschließlich der Instandsetzung des Daches und der Innendämmung der Dachfläche. Übergänge zwischen Dach und Fassade werden erneuert, und eine Leckage auf dem Flachdach der Bibliothek wird repariert. Ein barrierefreier Zugang zu den Ausstellungsflächen und Seminarräumen wird geschaffen. Die Kellerdecke wird gedämmt und die Heizung erneuert.
Die Fenster der Seminarräume werden gewartet und überarbeitet, alle Wände und Decken erhalten nach Abschluss der Arbeiten einen neuen Anstrich. Die Trennwand zwischen dem Seminarraum und den Sanitäranlagen wird ausgebaut.
Im Obergeschoss wird der Treppenflur vergrößert. Ein Leitungsbüro mit einem Beratungstisch für mindestens vier Personen, ein Archivraum, ein Lagerraum sowie eine Mitarbeitertoilette werden eingerichtet. Zusätzlich wird eine Pantry/Teeküche, die nicht separat sein muss, geschaffen.
Im Neubau wird ein Klassenzimmer oder Veranstaltungsraum von 70 bis 90 m2 Größe errichtet, der durch eine Faltwand teilbar ist und über Vorrüstungen für Medientechnik verfügt. Ein Abstellraum für Tische und Stühle sowie zwei WC-Räume, davon mindestens einer barrierefrei, werden eingerichtet. Der Raum erhält große Glasflächen mit außenliegendem Sonnenschutz. Das Dach des Neubaus wird als Gründach gestaltet. Ein Laubengang verbindet Alt- und Neubau und integriert den Toilettenanbau. Zudem wird ein barrierefreier Zugang zum Neu- und Altbau sowie eine durchgehende Wegeführung vom Haupteingangsbereich zum Museum realisiert.
Theodor-Körner-Museum und KZ-Gedenkstätte
Die Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin verkörpern eine deutliche Widersprüchlichkeit in der deutschen Geschichte, die in der Symbolik und Nutzung des Ortes deutlich wird. Ursprünglich in den 1930er Jahren erbaut, um den Dichter und Patrioten Theodor Körner zu ehren, der 1813 im Kampf gegen Napoleon fiel, spiegelt das Gebäude den nationalistischen Stolz und die romantische Verehrung eines historischen Helden wider. Körner wurde schon früh zum Symbol patriotischer Aufopferung stilisiert, was das Denkmal an seiner Begräbnisstätte unterstreicht.
Dieser Ort, der einst der Erinnerung an einen nationalen Dichter diente, wandelte sich später zu einer Gedenkstätte für die Opfer des nahegelegenen Konzentrationslagers Wöbbelin. Das KZ, ein Außenlager des KZ Neuengamme, existierte nur kurzzeitig, wurde jedoch zum Schauplatz unvorstellbarer menschlicher Grausamkeit. Hier starben über 1000 Häftlinge aus mehr als 25 Nationen infolge der unmenschlichen Haftbedingungen.
Die Kombination aus einem Denkmal für einen als nationaler Held verehrten Dichter und einer Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus bringt die widersprüchliche Geschichte Deutschlands an einem Ort zusammen. Es zeigt, wie ein Ort sowohl ein Symbol für nationalen Stolz als auch ein Mahnmal für die dunkelsten Kapitel der Geschichte sein kann. Diese Dualität fordert die Besucher auf, die komplexen und oft widersprüchlichen Aspekte der deutschen Vergangenheit zu reflektieren und zu hinterfragen.
Räumliche Widersprüche
Diese räumlichen Widersprüche des Ortes gilt es zu lösen. Sowohl in der gebauten Umwelt der Einfriedungen und der zergliederten Gebäudestruktur ebenso wie in den Freianlagen.
Räumliche Lösungen
Unser Planungsteam ergänzt der Landschaftsarchitekt Matthias Proske. Das Büro Proske gestaltete das KZ-Wöbbelin um und gewann mit den Behutsamen Eingriffen den Landesbaupreis MV. Parallel konnte das Landschaftsarchitekturbüro Proske parallel eine erste Vorplanung für die Freiräume um das Theodor-Körner-Museum und die KZ-Gedenkstätte in Abstimmung mit der Leitung erarbeiten.
Im wesentlichen sieht die Planung eine sichtbare Teilung zwischen Körner Grab und Gedenkstätte vor. Diese Planung ist Grundlage und Entwufsanstoß für unsere vorliegende Planung der behutsamen baulichen Ergänzung.
Entwurfsgedanken
Ziel des Entwurfs ist es, mit der Sanierung des Bestandsgebäude und dem Hinzufügen eines wohl platzierten Neubaus.
Grundlage ist das oben beschrieben und mit der Leitung abgestimmte Freiflächenkonzept von Proske Landschaftsarchitekten. Dieses Konzept sieht eine klare Trennung und Themenspezifischer Ordnung auf dem Gelände vor.
Das Gebäudeensemble wird den räumlichen als auch den technischen Anforderungen gegenwärtiger und zukünftiger Bedarfe angepasst und die Nutzungsmöglichkeiten optimiert und erweitert. Die Sanierung des Bestandsbaus erfolgt nach den anerkannten Regeln der Technik und unter Ausübung umfassender fachtechnischer Kenntnis des Bewerbers. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wird der Bestand mittels nachhaltigem Materialeinsatz und aktueller Energietechnologie zukunftsfähig gemacht.
Die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zu den Ausstellungsflächen und Seminarräumen hat hohe Priorität, um die Mahn- und Gedenkstätte einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Die Umsetzung erfolgt mit Augenmaß innerhalb der Möglichkeiten im Bestand mit dem Ziel, die Räumlichkeiten im Sinne aller Besuchenden niederschwellig erlebbar zu machen.
Neues Klassenzimmer – 3 Varianten
Für die Platzierung des neu zu errichtenden Klassenzimmers kommen drei Standorte in Betracht, welche jeweils Vor- und Nachteile mit sich bringen.
Variante 1
Variante 1 sieht einen Neubau nördlich des Hauptgebäudes, angrenzend an die 2012 errichtete Bibliothek vor.
Vorzüge des Standorts sind zum einen die Möglichkeit, die Bestandsmauer, welche den Vorplatz begrenzt, in den Neubau zu integrieren.
Darüber hinaus erhielte das Gebäudeensemble einen sichtbaren Eingriff zur Straßenseite und somit entsprechend gesteigerte Aufmerksamkeit im Ortsbild. Eine Anbindung an die Bibliothek ließe sich mittels Laubengang realisieren.
Argumente gegen diese Variante sind zum einen die Nähe zur angrenzenden Trauerhalle und die damit einhergehende mögliche Störung von Trauergesellschaften. Zum anderen beeinträchtigt der Baukörper wohlmöglich die Belichtung der Bibliothek.
Variante 2
Variante 2 platziert ein Volumen südöstlich der Seminarräume mit direktem Anschluss an das Bestandsgebäude, worin sogleich ein Vorteil dieser Lösung liegt.
Eine direkte Verbindung erleichtert den Anschluss hinsichtlich Erreichbarkeit und Barrierefreiheit, beeinträchtigt jedoch die Belichtung der Seminarräume. Ein weiterer direkter Anbau an das Bestandsgebäude wird in den Augen der Bewerbers zudem als kontraproduktiv in Bezug auf die Eigenständigkeit des ursprünglichen Baukörpers betrachtet.
Ein Anbau in die Tiefe des Grundstücks gestaltet sich aus baurechtlicher Sicht ebenfalls schwierig, da dies wohlmöglich Vorbildfunktion hätte und als Präzedenzfall eingestuft würde.
Variante 3
Dementsprechend wird die Variante 3 als Vorzugslösung vorgestellt.
Der Neubau für den Veranstaltungsraum positioniert sich beim Betreten des Geländes durch das Haupttor rechterhand an der südwestlichen Grundstücksgrenze und bildet hier in Verlängerung eines Nebengebäudes die Begrenzung der zentralen Platzfläche der Freiflächen zur Nachbarbebauung.
Die Position des Neubaus ermöglicht eine Neugestaltung der Platzfläche am Zugang der Mahn- und Gedenkstätten und erschließt einen bisher wenig genutzten Freiraum.
Städtebaulich schließt der Neubau eine Lücke entlang der Ludwigsluster Straße und verhindert so die bauliche Erweiterung in die Tiefe des Grundstücks, welche sich wie oben beschrieben aus baurechtlicher Sicht schwierig gestaltet.
Der größere Abstand zur benachbarten Trauerhalle gewährleistet eine bedenkenlose Nutzung beider Funktionen und führt das momentan ungenutzte Nebengebäude erneut einer Nutzung zu, indem hier Toiletten und Lagerflächen realisiert werden.
In der räumlichen Ausgestaltung versteht sich der Neubau als Grünes Klassenzimmer, welches zweiseitig über großformatige Glasflächen verfügt. Im Südwesten öffnen sich diese zu einem Wasserbecken, welches die Abstandsfläche zur Grundstücksgrenze überbrückt.
Angrenzend an das Becken erhebt sich die neue Grundstücksmauer in Ausgestaltung der bestehenden Eisensteinmauern und schafft so den unverkennbaren Ortsbezug.
Nach Nordosten öffnet sich die Fassade zur vorgelagerten Platzfläche, kann komplett aufgefahren werden und schafft so eine multifunktionale Nutzbarkeit, die über die Nutzung des geschlossenem Veranstaltungsraumes hinaus geht. Somit sind neben Seminaren ebenfalls Empfänge, Ehrungen und Veranstaltungen denkbar, welche den überdachten Raum als Bühne und die sich vor ihr ausbreitende Fläche als zusätzlichen Zuschauerraum nutzen. Die geschlossenen Fassaden nach Nordwesten und Südosten beherbergen Räume mit dienenden Funktionen wie Haustechnik und Lagerflächen sowie die nötigen Flächen für die mobilen Wandelemente zur Trennung des Klassenzimmers in zwei separat nutzbare Räume.
Nachhaltigkeit spiegelt sich im vorliegenden Entwurf sowohl in der Materialwahl- und Konstruktion als auch in der Eigenständigkeit des Neubaus wider. Indem sich Sanierung und Neubau unabhängig voneinander realisieren lassen, können zeitweise Funktionen in andere Nutzungsbereiche umziehen, ohne dass es zu Ausfällen im Museumsbetrieb kommt.
Die Konstruktion mit einer wetterfesten Außenschale in gekörntem Sichtbeton aus Recyclingbeton nimmt optisch die Platzgestaltung der wassergebunden Wegedecken der Umgebung auf und ermöglicht durch den Einsatz von Fertigteilen eine geringe Bauzeit.
Die beiden robusten und wetterbeständigen Betonspangen schaffen Räume für Nebennutzungen wie Abstellflächen und Pantry-küche um den Innenraum maximal flexibel zu halten.
Brettschichtholzbinder überspannen den lichtdurchfluteten Mehrzweckraum. Das Holzdachtragwerk zwischen den Wandscheiben wird oberhalb als extensives Gründach zur Stärkung der Biodiversität ausgeführt.
Alle Einbauten, Wand- und Deckenbekleidungen sind als Holzeinbauten geplant.
Thermisch schafft eine Innendämmung die nachhaltigste Form für die vorgesehene Nutzung als temporär bespieltem Veranstaltungsraum, da sich der Raum innerhalb kürzester Zeit auf behagliche Temperaturen aufheizen bzw. abkühlen lässt.
Beheizt und bei Bedarf gekühlt wird der Erweiterungsbau mittels eine effizienten Luft-Luft-Wärmepumpe.
Das Gründach schließt das Konzept der Energieoptimierung nach oben ab, indem es solare Enerigeeinträge effektiv dämpft.
Darüber hinaus wird die ungewollte Aufheizung des Raumes durch ein weit auskragendes Dach nach Südwesten unterbunden, so dass lediglich ein Blendschutz / eine Verdunklung notwendig ist. Durch die maximale Verglasung nach Nordosten bleibt eine optimale Belichtung gewährleistet.
Mit der baulichen Erweiterung in den Park hinein, spannt sich zwischen Bestand und Neubau eine räumlich gefasste Fläche auf, die sowohl neue Formen der Freiluftveranstaltungen zulässt als auch mittels akzentuierter Raumkante den Auftakt zum Besuch des Mahn- und Gedenkgartens fördert.