Villa Löwenthal
Im Sommer 2024 hat unser Architekturbüro die historischen Räumlichkeiten der Alexandrinenstraße 28 bezogen. Es ist spannend, in einem Gebäude mit so viel Geschichte zu arbeiten, das einst die Heimat der Familie Löwenthal war. Die Vergangenheit dieses Ortes inspiriert uns, mit Respekt vor der Geschichte in die Zukunft zu blicken.
Die Geschichte der Alexandrinenstraße 28 in Schwerin: Eine Villa, eine Familie, ein tragisches Schicksal
Die Alexandrinenstraße 28 in Schwerin war einst das Zuhause einer der bedeutendsten Familien der Region – der Familie Löwenthal. Dieses prächtige Anwesen, das heute kaum mehr an seine einstigen Bewohner erinnert, war ein Symbol für Erfolg, kulturelle Verbundenheit und schließlich für das tragische Schicksal, das viele jüdische Familien in Deutschland während der NS-Zeit ereilte.
Die Löwenthals: Eine Familie von Einfluss und Integrität
Die Familie Löwenthal, ursprünglich aus Bützow stammend, prägte das wirtschaftliche und politische Leben in Schwerin. Joseph Löwenthal, ein erfolgreicher Unternehmer, gründete die Firma „Löwenthal, Nord & Co.“, einen der größten Getreidehändler Norddeutschlands. Unter seiner und später der Leitung seines Sohnes Gustav florierte das Unternehmen und entwickelte sich zu einem bedeutenden Akteur im internationalen Getreidehandel. Gustav Löwenthal lebte mit seiner Familie in der Villa in der Alexandrinenstraße 28.
Felix Löwenthal, ein Cousin oder Halbbruder von Gustav, wohnte ebenfalls in der Alexandrinenstraße 28 und war eine prägende Persönlichkeit Mecklenburgs. Als Rechtsanwalt, Notar und Politiker trug er entscheidend zur Demokratisierung des Freistaats Mecklenburg-Schwerin bei. Im Jahr 1918 entwarf er im Auftrag des Ministerpräsidenten die Verfassung des neuen „Volksstaates“, die bis 1934 in Kraft blieb. Auch auf jüdischer Seite engagierte er sich als Mitgestalter der Verfassung der Israelitischen Landesversammlung.
Der Aufstieg und der Fall von „Löwenthal, Nord & Co.“
Neben ihrem politischen Einfluss war die Familie wirtschaftlich fest in Schwerin verankert. Die Firma „Löwenthal, Nord & Co.“, gegründet von Joseph Löwenthal und später unter der Leitung von Gustav, war in ganz Mecklenburg für ihre Geschäftstüchtigkeit bekannt. Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten nahm die Erfolgsgeschichte der Firma ein abruptes Ende. Paul Oehlerich, ein nicht-jüdischer Gesellschafter, setzte sich für die „Arisierung“ der Firma ein, und die jüdischen Teilhaber, darunter Otto Löwenthal und die Witwe Vera Nord, wurden schrittweise enteignet.
1934 wurde das Unternehmen in „Oehlerich & Sohn“ umbenannt, und die Familie Löwenthal verlor ihre Existenzgrundlage. Gustav Löwenthal verstarb im Exil in Hamburg, und viele der Familienmitglieder emigrierten, um der Verfolgung zu entkommen. Otto Löwenthal, der noch in Schwerin verblieben war, floh mit seiner Familie nach Berlin und kämpfte weiterhin um sein Recht auf die Auswanderung.
Das Vermächtnis der Löwenthals
Die Villa in der Alexandrinenstraße 28 steht heute als stummer Zeuge der bewegten Geschichte dieser jüdischen Familie, die sowohl wirtschaftlich als auch politisch eine zentrale Rolle in Schwerin spielte. Die Enteignung und Vertreibung der Familie Löwenthal ist ein tragisches Kapitel der Geschichte Schwerins und spiegelt das Schicksal vieler jüdischer Familien während der NS-Zeit wider.
Felix Löwenthal, der große Demokrat und Justizrat, sowie Gustav Löwenthal, der erfolgreiche Unternehmer, hinterlassen ein bleibendes Vermächtnis in der Geschichte Mecklenburgs. Doch ihre Geschichten erinnern uns auch an die dunklen Kapitel der deutschen Vergangenheit, in der Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Religion verfolgt wurden.